"Die konventionellen Ausbildungswege reichen nicht"

Die DASHH schafft in Norddeutschland ganz neue Wissenschaftskooperationen. Ein Gespräch mit Senatsdirektor Rolf Greve über das Potential von Interdisziplinarität und die Bedeutung der School für den Standort Hamburg.

Herr Greve, welche Rolle spielt Data Science für die Wissenschaft, speziell in Hamburg?

Data Science adressiert das Problem, dass es die Wissenschaft mit immer größeren Datenmengen zu tun hat. Diese Datenmengen entstehen, weil unsere Methoden und wissenschaftliche Werkzeuge immer feiner und genauer werden. Früher genügte es, mit einem Teleskop in den Himmel zu schauen und Sterne zu zählen oder mit dem Tischmikroskop in einer Probe Zellen zu betrachten. Heute verfügen wir über Messmethoden, die um ein Vielfaches genauer sind und deshalb viel mehr Daten produzieren. Mit diesen Daten umzugehen, sie zu produzieren und auszuwerten, ist eine große Herausforderung. Dazu braucht es neue Methoden, zum Beispiel Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. In Zukunft wird sich dieser Trend fortsetzen: So ist bei DESY auf dem Campus Bahrenfeld eine Anlage der nächsten Generation von Röntgenquellen in Planung, sie heißt  PETRA IV. Sie wird noch einmal deutlich größere Datenmengen als die derzeitigen Röntgenquellen produzieren. Und um diese Datenflut sinnvoll auswerten zu können, braucht es Data Science in einer hochentwickelten Form.

Warum ist es so wichtig, in diesem Bereich die Ausbildung von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gezielt zu fördern?

Wir brauchen Menschen, die in der Lage sind, wissenschaftliche Daten mit Hilfe von computergestützten Modellen zu analysieren und daraus Erkenntnisse zu ziehen. Allerdings stellen wir fest, dass die konventionellen Ausbildungswege dafür nicht mehr ausreichen. Einfach nur mehr Informatiker auszubilden, wäre viel zu kurz gesprungen. Stattdessen brauchen wir junge Menschen, die ihre fachwissenschaftliche Expertise mit Kenntnissen aus Informatik und angewandter Mathematik kombinieren und dadurch die jeweils passenden Lösungen und Methoden finden können. Genau das ist der Anspruch von DASHH: Diese mehrwertschaffende Kombination schon in der Ausbildung so anlegen, dass die jungen Menschen beide Expertisen zusammenbringen und damit neue Erkenntnisse schaffen, etwa in der Infektionsforschung oder der Entwicklung der Elektromobilität.

Die Graduiertenschule DASHH fungiert als eine Art Mantel für Wissenschaftskooperationen. Welche Bedeutung hat das für den Standort Hamburg?

Bei DASHH haben wir eine Vielzahl von Kooperationspartnern an Bord, sowohl die Hamburger Hochschulen als auch außeruniversitäre Einrichtungen wie DESY und das Helmholtz-Zentrum Hereon. Sie alle in einer gemeinsamen Kooperation zusammenzubringen, ist eine Herausforderung, die bei DASHH ganz hervorragend gemeistert wird. Früher war es üblich, dass jede Institution für sich die Arbeit erledigt hat. Bei DASHH wie auch bei anderen interdisziplinären Initiativen, die wir in den letzten Jahren etabliert haben, liegt der Erfolg dagegen in der verstärkten Kooperation zwischen den Partnern. Der wissenschaftliche Nachwuchs, den DASHH hervorbringt, denkt weniger in Zugehörigkeiten zu einzelnen Institutionen, sondern folgt vielmehr den gemeinsamen Forschungsprogrammen und -ideen. Das Konzept von DASHH ist, dass sich führenden Köpfe zu einem gemeinsamen Thema zusammenfinden und der Nachwuchs davon profitiert.

Wie sieht es mit den etablierten Fachkräften aus, die den DASHH-Nachwuchs ausbilden und betreuen: Profitieren die auch von diesem Programm?

Auf jeden Fall, denn durch den interdisziplinären Aufbau von DASHH kommen sie verstärkt mit Fachleuten aus anderen Disziplinen in Kontakt, und dadurch entsteht ein wissenschaftlicher Austausch. Wie wertvoll dieser Austausch sein kann, haben wir bereits bei anderen interdisziplinären Ansätzen hier in Hamburg gesehen, etwa beim CSSB, dem Zentrum für strukturelle Systembiologie auf dem Campus in Bahrenfeld. In diesem Zentrum arbeiten Fachleute aus verschiedenen Institutionen zusammen und folgen einem übergreifenden gemeinsamen Forschungsprofil. Und DASHH ist eine Plattform, die den Fokus auf den Nachwuchs legt und solche interdisziplinären Zentren unterstützen soll.

Die DASHH wurde vor kurzem mit dem Norddeutschen Wissenschafts-Preis ausgezeichnet. Was bedeutet das für dieses Programm und für den Wissenschaftsstandort Hamburg?

Der Norddeutsche Wissenschaftspreis gibt interdisziplinären Kooperationen, die erfolgreich angelaufen sind, eine gewisse Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Und wir haben uns sehr gefreut, dass die DASHH gemeinsam mit einer anderen norddeutschen Initiative damit ausgezeichnet wurde. Das würdigt das Konzept, aber auch die Beiträge der dort tätigen Menschen und gibt ihnen das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Außerdem zeigt der Norddeutsche Wissenschaftspreis der Öffentlichkeit, dass Steuergelder für die Wissenschaft gut investiert sind, um von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung zu Innovationen zu kommen, die für unseren Alltag wichtig sind.

Die DASHH ging 2019 an den Start, steckt also noch in der Gründungsphase. Wie könnte sich das Programm in den nächsten Jahren entwickeln, was ist Ihre Hoffnung?

Wir erhoffen uns, dass aus dieser Kooperation Beiträge entstehen, die die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen meistern helfen. Wie etwa funktionieren Viren? Moderne wissenschaftliche Werkzeuge, wie es sie am DESY in Hamburg gibt, können tief in den Mikrokosmos blicken und sichtbar machen, wie ein Infektionsprozess im Detail abläuft. Das kann dann bei der Bekämpfung von Pandemien helfen, etwa von Corona. Ein anderes Beispiel: Für die klimaschonende E-Mobilität der Zukunft brauchen wir neue High-Tech-Materialien. Die können nur entwickelt werden, wenn man versteht, wie solche Werkstoffe auf der Nanoebene funktionieren. Die Nachwuchskräfte, die bei der DASHH an solchen Projekten arbeiten, werden ihre Expertise in Wissenschaft und Wirtschaft tragen und dadurch helfen, wichtige gesellschaftliche Probleme zu lösen.

Interview: Frank Grotelüschen

Alternativ-Text

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