Weltspitze in der Informatik-Forschung

Ihre Algorithmen finden sich weltweit in Routenplaner und Navigationsgeräten. Nun hat Dorothea Wagner als erste Frau die Konrad-Zuse-Medaille erhalten.

Dank ausgeklügelter Algorithmen, die durch die Forschung von Professor Dorothea Wagner entwickelt wurden, ist es möglich, in riesigen Straßen- und Verkehrsnetzen mit vielen Millionen von Knotenpunkten und unzähligen Reiserouten die beste Transportverbindung zu finden. Ihre Entwicklungen finden sich weltweit in Routenplanern, Navigationsgeräten und Fahrplanauskunftssystemen. Nun wurde die Leiterin des Instituts für Theoretische Informatik des KIT mit der Konrad-Zuse-Medaille für ihre herausragenden Forschungsleistungen, aber auch für ihr außerordentliches, beispielhaftes und ehrenwertes Engagement für die Informatik und die Wissenschaft geehrt: "Wir freuen uns sehr, mit Dorothea Wagner eine herausragende Wissenschaftlerin zu ehren, deren Beiträge zur Informatikforschung zu den besten der Welt gehören", sagt Professor Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI).

"Zuerst wusste ich gar nicht, was Informatik ist. Ich hatte sie sozusagen aus Mangel an anderen Ideen eher als Nebenfach gewählt"

Prof. Dorothea Wagner

Seit 1987 verleiht die GI alle zwei Jahre die Konrad-Zuse-Medaille an Personen, die sich um die Informatik verdient gemacht haben. Frau Wagner ist die erste Frau, die die höchste Informatik-Auszeichnung im deutschsprachigen Raum erhält. Die Freude an der Mathematik hat Prof. Dr. Wagner einst auf den Weg zur Informatik geführt. "Zuerst wusste ich gar nicht, was Informatik ist, ich hatte sie sozusagen aus Mangel an anderen Ideen eher als Nebenfach gewählt", sagt die Forscherin. Als sie 1976 mit dem Studium der Mathematik an der RWTH Aachen begann, war die Informatik an den deutschen Universitäten gerade dabei, sich zu etablieren. "Die Fächer, an denen ich gearbeitet habe, überschneiden sich stark mit der Mathematik, und daher vollzog sich eine natürliche Entwicklung in Richtung Informatik", sagt Wagner.

Ihre Forschung über Algorithmen verbindet Theorie und Praxis und nimmt immer wieder Problemlösungen für zukünftige Anwendungen auf der Basis von Netzwerkstrukturen vorweg. "Als ich vor zwanzig Jahren mit der Erforschung der Routenplanung und der automatisierten Fahrplanauskunft begann, war noch nicht klar, welche Bedeutung diese Möglichkeiten in der Zukunft haben würden", betont die Forscherin. Für ihre Arbeit an Algorithmen zur Routenplanung, die die Mobilität im Alltag erleichtern, erhielt Wagner 2012 gemeinsam mit ihrem Kollegen Professor Peter Sanders vom KIT und Professor Hannah Bast von der Universität Freiburg bereits den mit einer Million Dollar dotierten Google Focused Research Award".

Algorithmen werden zum Erfolg des Energietransfers in Stromnetzen beitragen

Dorothea Wagner bezeichnet die verbesserte Nutzung von Stromnetzen mit Hilfe von Informatikmethoden, die sie erst vor wenigen Jahren zu untersuchen begann, als Zukunftsmusik" fernab der direkten Anwendung. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen wird zunehmend dezentralisiert, und die Stromeinspeisung variiert je nach Sonneneinstrahlung und Windstärke. Algorithmen werden durch effiziente Steuerung zum Erfolg des Energietransfers beitragen. Auch bei der Routenplanung ist die Forscherin vorausschauend: Sie berücksichtigt Fußwege, überlegt, welche Routen Reisende bevorzugen, kombiniert auf bestimmten Strecken verschiedene Verkehrsmittel wie Fahrrad, Taxi oder öffentliche Busse und Bahnen und nutzt Park-and-Ride-Einrichtungen. "Das Ziel ist es, mathematisch zu beweisen, dass der Algorithmus die beste Route berechnet", sagt Wagner.

Angesichts der Komplexität der möglichen Szenarien und der Masse der Daten ist es auch wichtig, die Geschwindigkeit zu erhöhen, mit der ein Algorithmus die optimale Verkehrsverbindung ermittelt. Ein weiteres aktuelles Forschungsthema der Informatikerin im Bereich der Mobilität ist die Routenplanung für Elektrofahrzeuge, die sowohl den Stromverbrauch und die Reichweite als auch die Standorte und die Erreichbarkeit von Ladestationen berücksichtigt. Der Boom der Informatik ist heute größer denn je, "aber für mich und andere, die sich mit diesem Thema beschäftigen, war immer klar, dass das Potenzial der Informatik wächst", betont Dorothea Wagner.

 

"Es ist längst überfällig, die Informatik als reguläres Schulfach zu etablieren, auch um mehr Frauen für dieses Studienfach zu motivieren."

Professorin Dorothea Wagner

Sie promovierte 1986 an der RWTH Aachen, wurde 1992 an die TU Berlin berufen und nahm 1994 eine Professur für praktische Informatik an der Universität Konstanz an. Seit 2003 ist sie Leiterin des Lehrstuhls "Algorithmik I" am Fachbereich Informatik des KIT. Professor Wagner, die Tochter eines Physiklehrers, sagt: "Es ist längst überfällig, die Informatik als reguläres Schulfach zu etablieren, auch um mehr Frauen für dieses Studienfach zu motivieren". Die Förderung junger Forscher und die Internationalisierung sind Schlüsselaspekte von Wagners facettenreichem und preisgekröntem Engagement. Sie war zehn Jahre lang Vorsitzende der Auswahlkommission für den Dissertationspreis der Gesellschaft für Informatik und setzte sich im Rahmen des Emmy Noether-Nachwuchsprogramms der DFG für den "Aktionsplan Informatik" ein. Von 2007 bis 2014 war Dorothea Wagner Vizepräsidentin der DFG. Im Jahr 2018 verlieh ihr die Alexander von Humboldt-Stiftung die Werner Heisenberg-Medaille für die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Die Informatikerin arbeitete zudem mehrere Jahre im Hauptausschuss des Chinesisch-Deutschen Zentrums für Forschungsförderung der DFG in Peking, wo sie sich für die Förderung der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern engagierte.

"Ich war von Anfang an daran interessiert, mich über mein eigenes Fach hinaus in das Wissenschaftssystem einzubringen", sagt sie. "Wissenschaft ist international, ich bin immer neugierig, wie es anderswo aussieht, und in meiner eigenen Arbeit habe ich bemerkt, wie internationale Kontakte und wissenschaftliche Zusammenarbeit den Horizont erweitern und die Forschung vorantreiben. Seit 2015 ist Professor Wagner Mitglied - und seit 2019 stellvertretender Vorsitzender - der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates, die Bund und Länder in Fragen der Wissenschaft und Forschung berät. Neben der Freude über die persönliche Anerkennung mit der Konrad-Zuse-Medaille sieht Dorothea Wagner in der Auszeichnung ein wichtiges Signal für künftige Informatikerinnen. Tatsächlich liegt der Frauenanteil unter den Informatikstudenten in Deutschland immer noch bei knapp über 20 Prozent.

Kontakt: dorothea.wagner@kit.edu

Text: Anja Frisch

Dieser Artikel ist zuerst in lookKIT, das Magazin für Forschung, Lehre, Innovation - Ausgabe # 04 /2019, am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erschienen.

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