So lernen Satelliten zu kommunizieren

Um Brände zu erkennen und Dürreperioden vorherzusagen, müssen Satelliten effizient Daten mit der Erde austauschen. HEIBRiDS-Doktorandin Olga Kondrateva programmiert die Satelliten so, dass sie selbst die Daten auswählen, deren Übertragung sinnvoll ist.

Effiziente Kommunikation hat Olga Kondrateva schon immer interessiert. In St. Petersburg, Russland, studierte sie angewandte Sprachwissenschaft; ihr besonderes Augenmerk galt dabei den Strukturen, ohne die Sprachen nicht funktionieren würden. Heute ist Kondrateva Doktorandin an der Helmholtz Einstein International Berlin School in Data Science HEIBRiDS und nutzt ihre Programmierkenntnisse, um Satelliten die Kommunikation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der Erde zu erleichtern.

Das ist eine wichtige Aufgabe. Tausende von Satelliten umkreisen unaufhörlich die Erde, wobei viele davon ständig Aufnahmen machen und Bilder zur Analyse an die Bodenstationen schicken. Seit einigen Jahren werden Bilder dieser LEO-Satelliten, die sich auf einer erdnahen Umlaufbahn bewegen, auch zur Bekämpfung von Naturkatastrophen verwendet und dienen dazu, die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen.

LEO-Satelliten sind für eine Umlaufbahn in einer Höhe zwischen 500 und 2.000 Kilometern über der Erdoberfläche ausgelegt, nahe genug also, um qualitativ hochwertige Bilder aufzunehmen. Dank ihrer erdnahen Umlaufbahn ist es leichter und kostengünstiger, sie an ihre Position zu schießen.

Ständig in Bewegung rund um die Erde mit 28.000 Kilometern die Stunde

Es gibt jedoch eine Kehrseite: Im Gegensatz zu den so genannten „geosynchronen“ Satelliten, die eine höhere Umlaufbahn haben und an einem festen Ort über der Erde stehen, sind LEO-Satelliten ständig in Bewegung und fliegen mit rund acht Kilometern pro Sekunde – oder 28.000 Kilometern pro Stunde – um die Erde.

Das bedeutet, dass die LEO-Satelliten auf ihrem Weg um die Erde nur kurze Zeitfenster haben, um einige wenige Male am Tag die gesammelten Bilder an fest installierte Antennen am Boden zu senden. „Sie erfassen viele Daten, haben aber nicht genug Zeit, sie zu übermitteln“, sagt Kondrateva. In einem typischen Übertragungsfenster von 15 Minuten kann ein Satellit je nach genauer Konfiguration lediglich einige hundert Megabyte an Daten zur Erde übertragen. Der Rest der Daten – die bis zum nächsten Zeitfenster möglicherweise schon überholt sind – wird meist verworfen.

Kondrateva arbeitet daran, den Prozess effizienter zu gestalten. Bislang überlassen die Satelliten die Entscheidung darüber, welche Bilder wichtig sind, den Analystinnen und Analysten auf der Erde. Kondrateva programmiert die Satelliten nun so, dass sie selbst die Daten auswählen, deren Übertragung sinnvoll ist; so will sie den Forschern helfen, jedes Übertragungsfenster optimal zu nutzen. „Wenn man nicht alle Daten auf die Erde bekommt, muss man irgendwie entscheiden, was man übertragen will“, sagt sie. „Ich entwickle die Algorithmen, damit der Satellit selbst entscheiden kann.“

„Wenn man nicht alle Satellitendaten auf die Erde bekommt, muss man irgendwie entscheiden, was man übertragen will. Ich entwickle die Algorithmen, damit der Satellit selbst entscheiden kann.“

Olga Kontrateva, Promovendin an der HEIBRiDS

Im Rahmen ihrer Dissertation an der HEIBRiDS hat sie auch Kontakt zu Ingenieuren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie zu europäischen Partner, die LEO-Satelliten dazu nutzen, Menschen auf der Erde zu helfen. Dieser Ansatz ist typisch für HEIBRiDS, wo seit 2018 die ersten 13 Doktoranden eingeschrieben sind. HEIBRiDS arbeitet mit dem DLR und fünf weiteren Partnern zusammen, um Doktoranden Input aus verschiedenen Institutionen und Disziplinen bieten zu können. Die Schule gehört zur Helmholtz Information & Data Science Academy (HIDA), dem größten postgradualen Ausbildungsnetzwerk im Bereich Information & Data Science.

Satellitenbilder für die Katastrophenhilfe

Durch die Zusammenarbeit mit Partnern am DLR erfuhr Kondrateva, dass Satellitenbilder für die Katastrophenhilfe unerlässlich sind: DLR-Satelliten können Waldbrände erkennen und darauf reagieren, durch Erdbeben und Tsunamis beschädigte Infrastruktur identifizieren und Schäden infolge von Flutkatastrophen abschätzen.

Als vor einigen Jahren schwere Waldbrände über Kalifornien hinwegfegten, überwachte eine DLR-Satellitenmission namens FireBIRD (Fire BiSpectral InfraRed Detector) die Temperatur und Intensität der Brände und versorgte die Einsatzkräfte in Kalifornien mit Karten, auf denen die Brandgebiete mit den höchsten Temperaturen verzeichnet waren. „Ich will das alles effizienter gestalten“, sagt Kondrateva. „Die Bilder zur Analyse auf die Erde zu schicken, dauert unter Umständen zu lang. Je mehr Informationen man direkt über den Satelliten erhält, desto besser.“

Das könnte sich enorm auszahlen – aktualisierte Karten stünden innerhalb von Stunden statt Tagen zur Verfügung. „Viele Daten, die von den Satelliten erfasst werden, haben eine schlechte Qualität oder sind entbehrlich“, sagt sie. „Bei der Branderkennung braucht man zum Beispiel nicht immer ein Bild von den Bränden, man muss nur wissen, wo sie sind.“

„Viele Satellitendaten haben eine schlechte Qualität oder sind entbehrlich. Bei der Branderkennung braucht man zum Beispiel nicht immer ein Bild von den Bränden, man muss nur wissen, wo sie sind.“

Olga Kontrateva, Promovendin an der HEIBRiDS

Das ist ein Problem, weil die Modelle, die normalerweise zur Klassifizierung von Bildern verwendet werden, so genannte neuronale Netze, sowohl groß als auch rechenintensiv sind. Auf einem Satelliten ist Rechenleistung ein kostbares Gut – und alle neuen Modelle müssen auch zum Satelliten übertragen werden, innerhalb der knappen Zeitfenster, wenn er in Reichweite ist. Um damit fertig zu werden, „arbeite ich an einem Algorithmus zur Komprimierung der Modelle, damit sie kleiner werden und weniger Rechenressourcen benötigen“, sagt Kondrateva.

Von der linguistischen Forschung zum Programmieren

Auf den ersten Blick mag der Sprung von der Sprachwissenschaft in eine erdnahe Umlaufbahn gewaltig erscheinen. Doch Kondrateva sagt, das habe sich natürlich ergeben: Im Rahmen ihrer linguistischen Forschung lernte sie das Programmieren. Schon bald verlagerte sie ihren Schwerpunkt von menschlichen Sprachen auf Computersprachen, erwarb einen Abschluss in Informatik an der Humboldt-Universität und arbeitete als Ingenieurin. „Am Anfang habe ich versucht zu verstehen, wie Sprachen im Inneren funktionieren“, erklärt sie lächelnd. „Systeme haben mich am meisten interessiert.“

In Kondratevas Masterarbeit ging es zum Teil darum, wie Netzwerke von Satelliten miteinander kommunizieren. Als sie sich für ein Promotionsthema entscheiden musste, zog es sie wieder einmal zur Raumfahrt – und zu HEIBRiDS, wo sie ihren Informatik-Hintergrund nun auf ganz neue Weise einbringen kann. „Ich fand Data Science spannend und wollte etwas Neues lernen“, sagt sie. „Informatik, Datenwissenschaft und Satelliten sind eine sehr schöne Kombination.“

Aufgrund ihres breit gefächerten Hintergrunds passt Kondrateva gut zur HEIBRiDS. Die interdisziplinäre Mischung, die die Schule bietet, hat sich als hilfreich erwiesen, nun, da die gebürtige St. Petersburgerin sich in ein weiteres neues Forschungsgebiet vorwagt.

Wie auch ihre Doktorandenkolleginnen und -kollegen hat Kondrateva Mentoren aus zwei verschiedenen Institutionen, damit die Interdisziplinarität gewährleistet ist. Für die HEIBRiDS-Promovierenden finden in jeder zweiten Woche Doktorandenseminaren und Vorlesungen in Data Science statt, für ihr Promotionsstudium gilt ein gemeinsamer Lehrplan.

Kondrateva sagt, dass ihr Kollegen aus anderen Disziplinen dabei helfen, wichtige datenwissenschaftliche Forschungsfragen herauszuarbeiten und Doppelarbeit zu vermeiden, wo andere Wissenschaftler bereits vorgearbeitet haben. „Wenn man bei HEIBRiDS ein Problem hat, kann man immer fragen“, sagt sie. „Die Kommunikation ist wirklich gut.“

Artikel: Andrew Curry

Alternativ-Text

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